Sonntag, 16.09.2018, 19:40 Uhr, Flughafen Berlin-Tegel: Dort begann die Reise unserer Delegation aus Charlottenburg-Wilmersdorf nach Beijing. Wir starteten zu einer sehr informativen und eindrucksvollen Reise in den Pekinger Innenstadtbezirk Dongcheng, zu welchem seit 2007 eine freundschaftliche Beziehung besteht. Die Delegation bestand aus dem Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann, der Bezirksstadträtin Heike Schmitt-Schmelz, den Bezirksverordneten Dagmar Kempf und Johannes Heyne sowie Frau Prof. Yu Zhang, welche sich seit vielen Jahren um den Kulturaustausch zwischen China und der Bundesrepublik Deutschland verdient macht. Ebenso begleitete uns Herr Dr. Bernd Andrich, der die AG City beim „International Brand Festival“ der Wangfujing Street vertrat.

Nach 9 Stunden Flug wurden wir freundschaftlich von unseren Gastgebern in Empfang genommen und in der Kommunikation durch eine Dolmetscherin unterstützt, denn schließlich waren wir alle – bis auf Frau Prof. Zhang – mit den Verlassen des Flugzeuges Analphabeten. Uns erwartete in der vor uns liegenden Woche ein reichhaltiges Konferenz-, Besuchs- und Kulturprogramm. Bereits am Nachmittag des Anreisetages absolvierten wir unseren ersten Besuch bei Jin Hui, der Bürgermeisterin von Dongcheng.

Der zweite Tag begann mit dem Besuch der Dongcheng High-School, der Partnerschule unserer Nelson-Mandela-Schule in Beijing. Hier wurde uns der Schulalltag der Schülerinnen und Schüler präsentiert. Neben dem normalen Schulunterricht, in welchen auch traditionelle Elemente wie eine Teezeremonie oder die Präsentation von Teilen der Peking Oper eingebettet sind, haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, in einem Technik-Center die neusten technischen Geräte kennenzulernen und auch selbst aus Baukästen solche zusammenzustellen. Ebenso verfügt die Schule über eine große Bibliothek, die den Schülerinnen und Schülern zum individuellen Gebrauch zur Verfügung steht. Der Mittag stand erneut für den Austausch mit der Bürgermeisterin und weiteren Vertretern der Bezirksregierung zur Verfügung. Von dort aus startete unser Kulturprogramm, der Besuch des Trommel- und des Glockenturmes. Beide Türme dienten früher der Signalgebung an die Bevölkerung und somit auch der Zeitansage zur Tagesplanung. So ist es nicht verwunderlich, dass sich historische Messgeräte zur Bestimmung der Zeit in den Turmbauten finden. Nach Besichtigung der beiden Türme bekamen wir die Gelegenheit, das private Museum des Künstlers Wu Weishan zu besichtigen und den Abend bei einem guten traditionellen chinesischen Essen ausklingen zu lassen.

Mittwoch sollte ein ganz besonderer Tag werden. Er begann mit dem beeindruckenden Besuch der verbotenen Stadt. Dort lebten und regierten bis zur Revolution 1911 die chinesischen Kaiser der Dynastien Ming und Qing. Der einfachen Bevölkerung war der Zutritt verwehrt – was den Namen Verbotene Stadt erklärt. Die Verbotene Stadt stellt ein Meisterwerk der chinesischen Architektur dar. Ihre Anlage entsprach der Weltsicht der kaiserlichen Herrscher: ein annähernd rechtwinkliger Grundriss – ausgerichtet entsprechend dem Prinzip von Yin und Yang an der Nord-Süd-Achse – und die Verbotene Stadt als Machtsymbol des Kaisers in der Mitte. In ihr befanden sich unter anderem die Paläste der Herrscher. Die Dächer der meisten Hauptgebäude waren teilvergoldet und mit in Gelb, der Symbolfarbe des chinesischen Kaisers, glasierten Ziegeln gedeckt. Kein Gebäude in Peking durfte die Verbotene Stadt in der Höhe überragen. Hiervon ist das moderne Beijing inzwischen weit entfernt. In der Hauptstadt Chinas, deren Einwohnerzahl nicht genau bekannt ist – Schätzungen sprechen inzwischen von bis zu 28 Mio. Einwohnern – reihen sich moderne Wohn- und Geschäftshochhäuser aneinander. Rund 80 Prozent der historischen Stadt sind inzwischen abgerissen, die traditionellen Hutongs kaum noch auszumachen. Sicherlich war diese Entwicklung auch Mitauslöser für das „International Sister Cities‘ Seminar Urban Development and Cultural Inheritance“. Insgesamt 9 Städte aus 8 Ländern stellten ihre Erfahrungen mit der städtebaulichen Entwicklung unter Wahrung des kulturellen Erbes vor. Es wurden interessante Ansätze gezeigt, wie moderne Stadtentwicklung den zuziehenden Menschen Lebens-, Wohn- und Arbeitsraum geben kann, das baukulturelle Erbe und die historischen Stadtgrundrisse jedoch beibehalten werden können. Für die Entwicklung von Charlottenburg-Wilmersdorf konnte ich Anregungen erhalten und gute Beispiele mitbringen. Der Abend klang aus in der Deutschen Botschaft. Botschafter Clemens von Goetze gab seinen allerersten Empfang in der deutschen Botschaft mit Blick auf den 3. Oktober. Als Berliner und in der Siedlung Eichkamp lebender zeigte er sich sofort an der freundschaftlichen Verbindung auf kommunaler Ebene zwischen Berlin und Beijing sehr interessiert.

Am fünften Tag durften wir uns mit dem modernen Beijing, der Entwicklung der Geschäftsstraße Wangfujing in der Chinesischen Hauptstadt, beschäftigen. Im Rahmen des „Beijing Wangfujing International Brand Festival“ wurde die Entwicklung der Geschäftsstraße, vergleichbar mit dem Kurfürstendamm, präsentiert und besprochen. Ob Beijing sich weiter in Richtung westliche Kultur entwickeln sollte ist eine grundsätzliche Frage. Jedoch muss ich feststellen, dass eine westlich geprägte Innenstadt mit der Aufreihung von Filialisten, die sich rund um den Globus verteilen und auf die gleichen Shop-Konzepte setzten, auf mich deutlich weniger interessant wirkt als eine Innenstadt, die sich ihrer Geschichte bewusst ist und traditionelle Elemente mit modernen Einstreuungen mischt.

Freitag stand wieder im Zeichen der Besuche von bezirklichen Einrichtungen in Dongcheng. Zunächst besuchten wir die Dongdan-Sportanlage, einer intensiv genutzten Sportanlage mit Kunstrasenplatz, Basketballfeld, mehreren Hallen und einer Schwimmhalle. Die gesamte Anlage ist öffentlich zugänglich – wobei es verwundert, dass ausgerechnet in China für die Nutzungszeit aller Sportanlagen bezahlt werden muss. Besonders wird hier Tischtennis als Leistungssport gefördert. Sechs Stunden täglich wird hier trainiert, hauptsächlich Kinder im Grundschulalter, welche im Sportinternat untergebracht sind. Anschließend besuchten wir eine bezirkliche Bibliothek, die in einem ehemaligen Wachturm der Stadtmauer beheimatet ist. Dieser wurde äußerst liebevoll saniert und zur Bibliothek samt Ausstellungsfläche mit dem Schwerpunkt Stadtgeschichte ausgebaut. Hier finden regelmäßig Lesezirkel, Veranstaltungen und Ausstellungen statt.

Der Abend stand diesmal im Zeichen der Peking-Oper. Rund 90 Minuten folgten wir Ausschnitten der Oper – glücklicherweise mit Untertiteln. Das Verständnis des Dargebrachten wurde hierdurch deutlich erleichtert, wenn auch der Zugang zur traditionellen chinesischen Musik eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Und dann hieß es Abschied nehmen. Unseren letzten Abend verbrachten wir im Kreis der Delegationsteilnehmer beim traditionellen Feuertopf, einer Art Fondue.

Insgesamt verbrachten wir eine sehr interessante und informative Delegationsreise. Mit Gewissheit ist China ein Staat, der sich weiterentwickelt hat. Dennoch gibt die Staatsführung immer wieder Anlass zur Kritik, sei es im Bereich der Menschenrechte, sei es im Bereich der Überwachung, sei es im Bereich der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen dritter um nur einige wenige zu nennen. Dennoch ist China ein interessanter und zukunftsweisender Partner. Im Rahmen von partnerschaftlichen Dialogen sind kritische Töne opportun. Sie sind dazu geeignet, staatliches Handeln zu hinterfragen und kritisch zu kommentieren sowie das Verständnis innerhalb der Partnerschaft für den jeweils anderen Partner zu verändern. Der Bezirk sollte darüber nachdenken, ob die freundschaftliche Beziehung zwischen den Bezirken in eine Städtepartnerschaft weiterentwickelt werden kann, um den Rahmen für intensivere Austausche zu schaffen.

Johannes Heyne